Pickleball ist in den USA längst ein Riesending, in Deutschland steckt der aufstrebende Racketsport noch in den Kinderschuhen. Doch die lebendige deutsche Pickleball-Szene will weiter wachsen.
Beim MTV Giffhorn in Niedersachsen ist der Pickleball-Hype schon
angekommen. Auf einem brach liegenden Fußballfeld des
Mehrsparten-Vereins wurden vier fest installierte Pickleball-Courts
errichtet, die regelmäßig von den 150 Mitgliedern bevölkert werden.
Wobei man das durchaus wörtlich nehmen kann, denn beim Pickleball
verabredet man sich nicht zu viert für eine feste Stunde Doppel. Nein,
„Open Play“ lautet die Zauberformel.
Heißt: Es kann jeder kommen,
der Lust und Zeit hat. Mal sind 20 Spieler und Spielerinnen dabei, mal
40. Gespielt wird nur Doppel, Einzel sind selten. Man wechselt sich nach
einem gespielten Satz ständig ab, tauscht Partner und Gegner. In den
Pausen wird „gesocialized“. „Es ist die soziale Komponente, die
Pickleball so beliebt macht“, sagt Stefan Kornhaß, der die
Pickleballabteilung in Giffhorn mit aufbaute und den Europavertrieb des
Ausstatters Gamma leitet.
Wer vom Pickleball, diesem Mix aus, Tennis, Tischtennis und
Badminton, schon einmal gehört hat, verbindet damit die USA. Dort ist es
die am schnellsten wachsende Sportart überhaupt. Neueste Zahlen
zeigen: 36 Millionen US-Bürger standen 2023 zumindest einmal auf einem
der vielen Pickleball-Courts, die dort überall entstehen.
Seit den
1960er-Jahren gibt es Pickleball bereits, doch der rasante Zulauf
entwickelte sich erst in den letzten Jahren. Lange galt Pickleball als
Seniorensport. „In den Altersheimen spielten die Menschen früher Bingo,
jetzt Pickleball“ hörte man in der US-Pickleball-Community oft.
Mittlerweile ist der Sport professioneller geworden. Es gibt zwei
Profiligen, eine ganze Industrie ist entstanden, die mit Reisen, Camps
und Akademien um die Spieler und Spielerinnen buhlt. Von solchen
Szenarien ist das deutsche Pickleball noch weit entfernt.
Pickleball soll in Deutschland ein großer Breitensport werden
„Wir
sind auf dem Weg, uns zu einem großen Breitensport zu entwickeln“, sagt
Kai Auhagen, Präsident des Deutschen Pickleball-Verbands, der 2023
gegründet wurde. Die aktuellen Zahlen sind allerdings übersichtlich: Dem
Verband gehören etwa 3.500 Mitglieder in 72 Vereinen an. Darüber hinaus
gibt es noch eine Menge freie Pickleballgruppen, die geschätzt 2.000
Spieler und Spielerinnen umfassen. „Wir könnten längst größer sein“,
behauptet Auhagen. Das Problem ist: Pickleball wird – anders als in den
USA – in der Regel in Sporthallen gespielt. „Die Kapazitäten sind
dadurch äußerst begrenzt, wir brauchen mehr Hallenzeiten“, erklärt
Auhaugen.
Um
sich davon zu entkoppeln, sind eigene Courts, wie sie der MTV Giffhorn
hat, die beste Lösung. „Das muss der nächste Schritt für uns sein“,
sagt Auhagen, der sich zusehends um bessere Verbandsstrukturen bemüht,
damit der Sport geordnet wachsen kann. Mittlerweile gibt es ein
Liga-System, eine Nationalmannschaft, Trainerprogramme und auch
Fortbildungen für Lehrer, um Pickleball an die Schulen zu bringen. „Es
ist ein idealer Schulsport, weil man Pickleball superschnell lernen
kann. Es ist auf Badmintonfeldern mit einem tiefen mobilen Netz sofort
spielbar“, schwärmt Auhagen.
Gut zu wissen: So funktioniert Pickleball
Pickleball
ist eine aus den USA stammende Rückschlagsportart, die Elemente aus
Tennis, Badminton und Tischtennis verbindet. Das Spielfeld hat etwa die
gleiche Größe wie ein Badminton-Court – das Netz allerdings ist tief. Im
hinteren Bereich befinden sich zwei Aufschlagfelder, im vorderen die
„Non-Volley-Zone“, auch „Kitchen“ (also Küche) genannt. Man darf die
Zone nur dann betreten, wenn man keinen Flugball spielt. Die Schläger
sind aus Holz oder Carbon. Sie sind rechteckig mit runden Ecken und die
Schlägerfläche besteht aus Glasfaser, Aluminium oder Graphit. Der Ball
ähnelt dem beim Floorball und hat mehrere Löcher. Gespielt wird in der
Regel im Doppel- oder Mixed-Format. Einzel gibt es auch, ist aber nicht
so beliebt. Der Aufschlag (man hat nur einen Versuch!) erfolgt von unten
hinter der Grundlinie in das diagonal gegenüberliegende Aufschlagfeld.
Der Ball muss vor dem Return aufkommen und auch das servierende Team
muss anschließend den Ball einmal springen lassen (die sogenannte
„Double-Bounce-Regel“). Erst wenn der Ball auf beiden Seiten einmal
aufgesprungen ist, sind Volleys erlaubt. Gezählt wird wie beim
Tischtennis. Wer zuerst elf Punkte erzielt, gewinnt einen Satz. Bei
einigen Turnieren wird ein Satz auch bis 15 oder 21 Punkten gespielt.
Für einen Satzgewinn sind zwei Punkte Unterschied nötig. Meist wird
über zwei Gewinnsätze gespielt. Ungleich zu allen Sportarten, von denen
Pickleball inspiriert ist, kann nur das aufschlagende Team Punkte
sammeln. Gewinnt das returnierende Team den Ballwechsel, dürfen sie
anschließend servieren. Mit dem Aufschlagrecht kann es dann punkten.
Tatsächlich
sind die Einstiegshürden beim Pickleball niedrig. In den
Mehrspartenvereinen, die Pickleball anbieten, kann sich im Prinzip jeder
zu einer „Open Play“-Runde anmelden und mitspielen. Pickleball hat als
generation- und geschlechter-übergreifender Sport eine hohe integrative
Kraft. Es spielt eben jeder mit jedem. Kai Auhagen erzählt dazu eine
Anekdote. Es geht darum, wie lange es im Durchschnitt dauert, bis man
die gängigen Racketsportarten so beherrscht, dass man ordentliche
Ballwechsel bekommt: „Beim Tennis sind es, sagen wir, fünf Jahre. Beim
Pickleball kann es sein, dass du morgen gegen deine eigene Oma
verlierst.“
Pickleball spricht Tennisspieler eher weniger an
Die
breite Aufstellung vom Pickleball führt dazu, dass der Background
seiner Spieler und Spielerinnen unterschiedlicher kaum sein könnte. Das
Spannende: Nur wenige, die Pickleball spielen, haben einen
Tennis-Hintergrund. Beim MTV Giffhorn sind es zum Beispiel nur 20 von
150. Es sind ehemalige Handballer, Leichtathleten, Fußballer, Schwimmer
und auch einige ohne Sporthistorie dabei, die sich gerne in einer
Gemeinschaft spielerisch bewegen wollen. Am Ende können alle gut
gegeneinander zu einem Doppel antreten, weil das Level ziemlich ähnlich
ist.
„Mit Pickleball erreicht man ein ganz anderes
Sport-Publikum“, sagt Gamma-Mann Stefan Kornhaß aus Giffhorn.
Insbesondere für Tennisvereine ist das eine gute Nachricht. Ein
Kanibalisierungseffekt ist kaum feststellbar. „Pickleball nimmt
Tennisvereinen nichts weg – ganz im Gegenteil: Es ist eine bereichernde
Ergänzung, um neue Mitglieder anzusprechen, an die man nur mit Tennis
nicht herankommen würde“, versichert Kornhaß. Aktuell sind Tennisclubs,
die auch Pickleball anbieten, noch selten in Deutschland. Nur knapp
fünf Prozent der im Deutschen Pickleball-Verband organisierten Vereine
sind Tennisclubs.
Aber es kommt langsam etwas in Bewegung. Die ersten kommerziellen
Hallenbetreiber haben bereits Pickleball-Courts bauen lassen – etwa die
„Racket-Arena Rhein Erft“ in Kerpen bei Köln oder die „Top Tennis
Academy“ in Stuttgart. „Wir haben 2024 schon fast genauso viele
Pickleball-Courts wie Tennisplätze gebaut“, sagt Albert Wagner von der
Firma AV Syntec, die den Rebound Ace-Hartplatz in Deutschland vertreibt.
Das
aufkommende Interesse an Pickleball lohnt sich für Wagner. Denn: Auf
klassischen Sandplätzen funktioniert Pickleball nicht. Der leichte und
löchrige Ball springt auf roter Asche zu schlecht ab; es muss ein harter
Untergrund her. Die Lösung sind Hardcourtbeläge wie der Rebound Ace,
der sich im Tennisbereich längst bewährt hat. Für den Indoorbereich gibt
es spezielle Rollböden, die sich auslegen lassen wie Teppichrollware.
Vereine,
die an einer Umrüstung eines Sandplatzcourts intertessiert sind, müssen
wissen: Auf einen Tennisplatz passen vier Pickleballcourts. Die Kosten
liegen bei etwa 80.000 Euro. Beim MTV Giffhorn geht man bereits einen
Schritt weiter: Dort wird noch in diesem Jahr die erste reine
Pickleball-halle Deutschlands errichtet.
Pickleball in Deutschand will gesund wachsen
Ist das die
Initialzündung für einen deutschen Pickleball-Boom? Eher nicht. Noch
fehlen die großen Investoren. Aktuell fließt das Geld eher in Anlagen
für Padel, einer weiteren wachsenden Racketsportart. Doch dort gibt es
bereits erste Ermüdungserscheinungen. Deutschlands größte Padelhalle in
Hamburg verlor zwischenzeitlich den Betreiber, weil die Auslastung zu
gering war.
Die deutsche Pickleball-Gemeinschaft setzt auf ein
gesundes Wachstum, das von der Basis ausgeht. „Wir haben einen stetigen
Fluss an Interessenten“, beteuert Kai Auhagen vom Pickleball-Verband.
Seine Hoffnung: Irgendwann wird Pickleball eine derartige Größe
erreichen, dass man an dem Sport nicht mehr vorbeikommt.