35. Anlauf, erster
Grand Slam-Titel?
Alexander Zverev will in New York endlich das fehlende Puzzleteil seiner Karriere - die Form ist rechtzeitig zurück.
Für die Erfüllung seines großen Traumes setzt Alexander Zverev nun
auch auf die Expertise des erfolgreichsten Tennisspielers der
Geschichte. Von Angesicht zu Angesicht mit Olympiasieger
Novak Djokovic
begann der Hamburger (mal wieder) seine Mission Grand Slam-Titel. Im
monumentalen Arthur Ashe Stadium in New York jagten sich die beiden
Topspieler in einer hochklassigen Trainings-Session die Tennisbälle um
die Ohren.
Für Zverev war es keine schlechte Idee, einen Teil der
Aura des serbischen Champions aufzusaugen, bevor er am Montag gegen
Maximilian Marterer in die
US Open startet. Immerhin hat Djokovic schon
fast unverschämte 24 Mal das geschafft, wonach Zverev noch immer lechzt: Einen Triumph bei einem der vier wichtigsten Turniere im Profitennis.
Zverev steht sich 2020 selbst im Weg
Ist die Zeit dafür nun
endlich reif? Für Zverevs Trainingspartner und möglichen Halbfinalgegner
in New York jedenfalls steht fest: "Verdient" hätte Zverev diesen
Titel, dieses fehlende Puzzleteil seiner Karriere, längst. Das stellte
Djokovic im Juli in Wimbledon klar, legte aber auch gleich den Finger in
die tiefe Wunde des 27-Jährigen: "Es ist nicht leicht. Je länger es
dauert, bis man einen Grand Slam-Titel gewinnt, desto mehr denkt man
darüber nach."
Und bei Zverev, der einstigen Nummer zwei der Welt,
dem 22-maligen Turniersieger auf ATP-Niveau, dem Olympiasieger von
Tokio - da dauert es nun mal schon ziemlich lange. 34 Mal stand der
Weltranglistenvierte bei einem Major im Hauptfeld, 34 Mal reichte es
nicht zum großen Wurf. Zweimal war erst im Finale Schluss - bei den US
Open 2020 scheiterte er zu einem großen Teil an seinen Nerven und zu
einem kleinen an Gegner
Dominic Thiem, im French-Open-Endspiel in diesem
Jahr war er mental deutlich stärker, doch
Carlos Alcaraz am Ende einen
Tick fitter.
Warum also sollte es ausgerechnet diesmal, im 35. Anlauf, klappen?
Vielleicht, weil Zverev sich in diesem Jahr sehr konstant präsentiert?
Mit 52 Siegen hat er die meisten auf der gesamten Tour gesammelt.
Vielleicht auch, weil der Hartplatz dem großgewachsenen
Aufschlag-Spezialisten besonders liegt? Und zuletzt: Weil die Form nach
Zverevs mysteriösem gesundheitlichen Durchhänger rund um die Olympischen
Spiele zurück ist?
Für
Jannik Sinner jedenfalls ist Zverev ein
sehr ernstzunehmender Kontrahent. "Ein hartes, sehr aufregendes Match"
habe der Hamburger ihm abverlangt, sagte Sinner nach dem Halbfinale beim
ATP-Masters in Cincinnati vergangene Woche. Dort brachte ein gut
aufgelegter Zverev den Weltranglistenersten aus Italien an den Rande
einer Niederlage und präsentierte sich auch körperlich voll auf der
Höhe.
Topfavoriten sind andere
Nur: Topfavorit ist Zverev in New
York deshalb noch lange nicht. Trainingspartner Djokovic, inzwischen
stolze 37 Jahre alt, erlebt seinen ungefähr siebten Frühling. Sinner
dürfte trotz des Wirbels um seine Person - Stichwort Dopingfreispruch -
nur schwer zu knacken sein. Und auch Paris-Silbermedaillengewinner
Alcaraz, auf den Zverev wie auf Sinner erst in möglichen Finale treffen
könnte, machte in den vergangenen Monaten einen noch stärkeren Eindruck
als der Deutsche.
Für den geht es in der erste Woche in New York
erstmal gemächlich los. Mit Marterer sollte selbst Langsam-Starter
Zverev keine großen Probleme haben. Erst in Runde drei könnte mit dem
(schlagbaren) Argentinier Francisco Cerundolo ein gesetzter Spieler
warten.