Alexander Zverev brauchte für den Achtelfinaleinzug in Paris einen mentalen Kraftakt. Mit
Holger Rune, dem nächsten Gegner, hat die deutsche Nummer eins noch eine Rechnung offen.
Nach bestandener Reifeprüfung schweifte Alexander Zverevs Blick in
die Vergangenheit. "Ich bin durch viel Scheiße gegangen in den letzten
Jahren", sagte der 27 Jahre alte Olympiasieger in ungeschönter Klarheit:
"Mit meiner Verletzung, mit meinem Comeback, mit vielem Drum und Dran.
Ich glaube, dass einen das auch stärker machen kann."
Mit einer
früher ungewohnten Gemütsruhe und der mentalen Stärke eines
Spitzenspielers hat der Weltranglistenvierte bei den French Open seinen
Titeltraum gewahrt und sich den Achtelfinal-Knaller gegen Boris Beckers
Ex-Schützling Holger Rune am Montag verdient. Zverev lag gegen den
starken Niederländer Tallon Griekspoor im Drittrunden-Thriller im
fünften Satz bereits 1:4 und zwei Breaks zurück - und unterstrich dann
seine Entwicklung.
Früher hat Zverev in schlechten Phasen schon
einmal einen Schläger zerdeppert oder wüst in Richtung seiner Box
geschimpft. Aktuell scheint er seine Emotionen auf dem Platz viel besser
im Griff zu haben. "Es ist etwas, das ich mit mir selbst besprochen
habe", sagte er nach dem 3:6, 6:4, 6:2, 4:6, 7:6 (10:4)-Erfolg: "Und mir
ist klar geworden, dass ich mir selbst und vor allem den Leuten und
Kindern, die zuschauen, keinen Gefallen tue."
Zverev hofft auf die Sonne
Er sei froh über die Entwicklung,
fügte Zverev an: "Ich habe in dieser Hinsicht viel an mir gearbeitet,
denn Tennis ist ein sehr mentales Spiel." Bei dem man bis zum letzten
Schlag an sich glauben muss. Gerade die Spitzenkräfte zeichnen sich
dadurch aus, auf dem Weg zum großen Triumph bei Grand Slams allen
Widrigkeiten zu trotzen. Der große Meister dieses Fachs ist Novak
Djokovic, der nun in Paris seinen Achtelfinaleinzug in der Nacht zum
Sonntag um 3.07 Uhr klarmachte.
Auch Zverev werden immer neue
Herausforderungen begegnen, schon gegen Rune, das aufstrebende Toptalent
aus Dänemark - der 21-Jährige ist ein echter Heißsporn und bringt seine
Gegner immer wieder in Wallung. Zverev, der das einzige bisherige
Aufeinandertreffen 2022 in München klar verlor, wird die passiven Phasen
in seinem Spiel weiter reduzieren und erneut auch die Bedingungen
akzeptieren müssen.
Optimale Verhältnisse, "23 Grad und Sonne", kriegt er dieser Tage in der verregneten Olympia-Stadt kaum geboten. Bei Temperaturen um zwölf Grad wie am Samstag verliere der Ball bei jedem Schlag fünf bis zehn Stundenkilometer, klagte er, ohnehin seien die gelben Filzkugeln in
Roland Garros "unfassbar langsam". Doch Zverev hat große Lust, noch vier Matches mit diesen Bällen zu spielen.