In Madrid erreichte Benjamin Hassan über die Qualifikation erstmals das Hauptfeld bei einem ATP-Masters-Event. Beinahe beiläufig erfuhr der Neuwieder von der neuen Doppelregelung und sorgte dabei für einen Paukenschlag.
Schon der stetige Wechsel der Länderflagge in diversen
Spielerprofilen von Benjamin Hassan in den letzten beiden Jahren ließ
den aufmerksamen Verfolger der Tennisszene erahnen, dass hinter dem
29-jährigen eine ganz besondere Vita stecken musste. Lange Jahre wurde
der gebürtige Merziger unter deutscher Flagge geführt, ehe diese ab dem späten Sommer 2022 für mehr als ein Jahr durch die libanesische Fahne ersetzt wurde.
Als
Begründung für den Wechsel der Nationalität in seinem ATP-Profil gab
der Profi aus Neuwied „eigenmächtiges Handeln“ der weltweiten
Spielervereinigung an. Seit mehreren Jahren repräsentiert Hassan, der
neben der deutschen Staatsbürgerschaft auch die libanesische besitzt,
das Heimatland seiner Eltern im Davis-Cup. Somit nahm die ATP dies zum
Anlass, ihn deswegen automatisch in der Nationalität seiner
Davis Cup-Zugehörigkeit einzustufen. Nach mehr als 12-monatigem Kampf
mit zahlreichen Kommunikationswegen wird er seit Ende der letzten Saison
wieder unter deutscher Flagge geführt.
Auch sportlich nahm die
Karriere von Hassan nicht den Verlauf des Tennisprofis „von der Stange“.
Eigentlich schrieb er sich in der Universität ein, um nach seinem
Lehramtsstudium diesen Beruf auch tatsächlich auszuüben. Nebenzu wollte
er etwas ambitionierter den Tennissport betreiben und verdingte sich
hauptsächlich bei den deutschen Future-Turnieren. Im Jahr 2017 erhielt
er in seiner rheinland-pfälzischen Heimat eine Wildcard für das
Challenger-Turnier in Koblenz, wo er dem ehemaligen Top-50-Spieler
Gabashvili einen großen Fight lieferte und sich knapp in drei Sätzen
geschlagen geben musste. Fortan war für ihn klar, dass er es ernsthafter
als Tennisprofi versuchen möchte.
Über erfolgreichere Resultate auf der
ITF World Tennis Tour
etablierte sich Hassan über die Jahre auf der ATP-Challenger-Tour und
arbeitete sich Ende letzten Jahres erstmals in die Top 150 vor, belohnt
mit der erstmaligen
Grand Slam-Teilnahme in der Qualifikation bei den
Australian Open. Beim aktuellen Masters-Event in Madrid rutschte er als
Alternate in den Qualifikationswettbewerb nach und schaffte mit Erfolgen
gegen den US-Amerikaner Emilio Nava und den ehemaligen
Junioren-Wimbledon-Sieger Shintaro Mochizuki aus Japan den Einzug ins
Hauptfeld.
Angekommen im Haupt-Wettbewerb hieß der Gegner Borna
Coric, der sich bereits mit einem Masters-Titel schmücken und sich auf
Position 12 im ATP-Ranking spielen konnte. Auch dort legte Hassan furios
los und holte sich den ersten Satz im Tiebreak, ehe er sich dem Kroaten
nach großem Kampf in drei Sätzen geschlagen geben musste. Als das
Abenteuer Madrid beendet schien, erfuhr der Weltranglisten-159. vom
Doppel-Spezialisten Tim Pütz um 20 Uhr, dass er noch zwei Stunden Zeit
hätte, um sich für den Doppel-Wettbwerb einzuschreiben. Aufgrund der
neuen Regelung „würde er mit seinem Ranking auf jeden Fall reinkommen,
wenn er sich einfach noch einen anderen Spieler suchen würde“.
Gesagt,
getan. Mit dem jungen Jordanier Abdullah Shelbayh, der seit vielen
Jahren an der Rafa-Nadal-Akademie in Manacor trainiert, startete er das
Unterfangen im Hauptfeld des Doppel-Wettbewerbs und besiegte mit seinem
Partner das an Position 4 gesetzte Doppel Dodig/Krajicek in zwei Sätzen,
ehe dann gegen die ebenfalls routinierte Paarung Murray/Venus
Endstation war. Wie demütig Hassan trotz aller Freude über den Coup
weiterhin ist, zeigte er im Interview beim Fernsehsender Sky, wo er sich
fast dafür entschuldigte, dass er als Einzelspieler aufgrund der neuen
Regelung einem arrivierten Doppel den Platz „weggenommen“ hätte.
Auch äußerlich zeigte sich bei Hassan in Madrid, dass mit seinen spielerischen Möglichkeiten vermaktungstechnisch noch viel Luft nach oben ist. In Social-Media-Beiträgen wurde er „als echter Typ abgefeiert“, als er sich von Kopf bis Fuß mit einer wahren Markenvielfalt bei den Matches auf dem Court präsentierte. Mit seiner bodenständigen Art und seinem attraktiv-variablen Spiel ist er eine absolute Bereicherung für die Events auf größter Bühne. Wenn der 29-jährige seinen Weg weiter so geht, dürfte dies auch dem ein oder anderen Ausrüster nicht verborgen bleiben.