Oscar Otte trifft nach überstandener Qualifikation beim ATP-Tour-500-Turnier in Halle Westfalen auf
Alexander Zverev.
Als Oscar Otte (ATP 474) am Sonntagabend in der Lobby des COURT HOTEL
stand und noch nicht wusste, wer sein Erstrundengegner bei den 31.
TERRA WORTMANN OPEN sein würde, hatte er eigentlich einen dringenden
Wunsch: „Sascha muss es jetzt nicht unbedingt sein.“ Doch ein paar
Minuten später waren die Qualifikanten ins Hauptfeld gelost – und genau
das, was nicht passieren sollte, war eingetreten: Otte, der tüchtige
Qualifikant, erwischte seinen deutschen Landsmann, den Olympiasieger und
French Open-Finalisten Alexander Zverev (ATP 4), als
Auftaktkontrahenten. „Was soll man machen? Man muss es nehmen, wie es
kommt“, sagte der Kölsche Jung und gab sich entschlossen: „Ich werde
alles rausholen und versuchen, meine Chance zu nutzen.“
Otte hat
allerdings schon vor den ersten Ballwechseln gegen den
Weltranglisten-Vierten einen beachtlichen Etappensieg errungen – nämlich
einen Hauptfeldplatz beim, wie er selbst sagt, „größten Turnier in
Deutschland“ erkämpft: „Ich bin wirklich gut durch die Qualifikation
marschiert. Das war alles andere als selbstverständlich. Ich bin ohne
große Erwartungen nach Halle gekommen.“ Tatsächlich war der 30-jährige
Profi zuletzt zwangsweise zum Gelegenheitsarbeiter geworden – immer neue
Verletzungen zwangen Otte auch zu immer neuen Pausen.
Otte mit privatem Glück
In Arztpraxen oder Rehaeinrichtungen
war der sympathische Sportsfreund öfter zu Gast als auf den Courts des
Tourbetriebs. 2023, nach einem Ausrutscher im Match gegen Dominik
Koepfer in Wimbledon, wurde er ein weiteres Mal am Knie operiert, so wie
auch schon 2022. „Frustrierend“ sei es oft gewesen. „Aber ich bin
keiner, der sich aufgibt, der den Kopf hängen lässt.“
Kraft fand
Otte in all dem Schlamassel in privatem Glück, durch die Geburt seiner
Tochter Mathilda vor knapp einem Jahr: „Das hat mir über manche
Enttäuschung und manchen Ärger hinweggeholfen.“ Jetzt will Otte eine
neue Comeback-Mission starten, auch mit gezielteren, veränderten
Trainingsschwerpunkten: „Das reine Tennis steht nicht im Vordergrund.
Sondern Fitness, das körperliche Training.“ Zuletzt hatte er sich auch
mehr Zeit zur Rückkehr an den Arbeitsplatz genommen und seine Einsätze
genau dosiert.
Natürlich schwingen beim Gastspiel bei den TERRA
WORTMANN OPEN die Erinnerungen zurück ans Jahr 2022, an die verrückten
Turniertage, die erst mit einer Halbfinal-Niederlage gegen
Weltklassemann
Daniil Medvedev endeten. „Halle ist ja fast ein Heimspiel
für mich gewesen. Nirgendwo sind so viele aus der Familie, Freunde und
Bekannte am Start, wenn ich spiele. Das ist ein ganz anderes Gefühl“,
sagt Otte. „Das Publikum hat mich getragen – und ich habe auch
ordentlich was zurückgegeben.“
Nach Wimbledon mit Allzeithoch
Otte kehrte damals nach seinem
Halbfinal-Aus sogar noch einmal zurück nach HalleWestfalen, sein Coach
Peter Moraing übermittelte ihm damals den Wunsch des ZDF, am Sonntag als
Experte das Finale mitzukommentieren. „Ich war schon auf der Autobahn
unterwegs nach Hause. Aber dachte mir: Warum denn nicht?“ Otte ging
später von Halle sogar praktisch als deutsche Nummer eins nach
Wimbledon, mit Allzeithoch auf Platz 36 in der Rangliste – Alexander
Zverev hatte sich zuvor bei den French Open schwer verletzt.
Jetzt,
an den beiden Qualifikationstagen für die 31. TERRA WORTMANN OPEN, habe
er sich zum „ersten Mal nach langer Zeit wieder wohl gefühlt“ auf dem
Court, sagt Otte: „Ich war gut im Rhythmus, hatte auch das nötige
Selbstbewusstsein dann.“ Das Gefühl nach dem zweiten Sieg, dem
gesicherten Platz im Hauptfeld, sei „absolut befreiend“ gewesen. Ein
„Riesendankeschön“ müsse er an Turnierchef Ralf Weber richten, für die
Qualifikations-Wildcard, aber auch schon für die Unterstützung im
vergangenen Jahr – damals hatte Otte eine Wildcard fürs Hauptfeld
erhalten.
Otte sieht trotz aller Schwierigkeiten und Hindernisse
optimistisch in die Zukunft, er ist sowieso einer, für den das Glas halb
voll ist und nicht halb leer. „Ich werde 31 demnächst, aber ich habe
noch ein paar gute Jahre vor mir. Und wenn es mal vorbei ist, werde ich
immer zufrieden auf meine Zeit im Tennis blicken.“ Und auch auf seine
Auftritte in HalleWestfalen.