Viertelfinale statt Karriereende:
Angelique Kerber setzt ihren olympischen Siegeszeug auch gegen
Leylah Fernandez fort.
Angelique Kerber hatte es verflixt eilig. Nach der filmreifen
Fortsetzung ihres olympischen Sommermärchens flüchtete sie aus dem
Glutofen des Court Simonne Mathieu und hüpfte in die nächstbeste
Eistonne. Im klackernd-kalten Erfrischungsbad bemühte sich die Grande
Dame des deutschen Tennis zu begreifen, was sie da gerade im
Achtelfinale von Paris erneut vollbracht hatte.
"Ich kann mir
nicht erklären, was hier passiert", sagte die 36-Jährige über ihren
abermals grandiosen 6:4, 6:3-Sieg über die frühere US Open-Finalistin
Leylah Fernandez aus Kanada, mit dem Kerber zum dritten Mal in ihrer
Karriere in ein Olympia-Viertelfinale eingezogen war. Nur noch zwei
Siege ist Kerber im letzten Turnier ihrer Karriere von der zweiten
Medaille nach Silber 2016 in Rio entfernt.
"Vor einer Woche hätte
ich nicht gedacht, dass das hier so laufen wird", sagte Kerber, die am
Tag vor der Eröffnungsfeier ihr Karriereende mit Ablauf der Spiele
angekündigt hatte: "Besser als jetzt gerade könnte ich es mir auch gar
nicht vorstellen - egal was jetzt noch kommt."
“Ich versuche einfach das Beste rauszuholen”
Was kommt, ist
zunächst das Viertelfinale gegen die Weltranglistensiebte und
Australian Open-Finalistin Zheng Qinwen aus China. Anspruchsvoll, aber
nicht unlösbar. Und wenn Kerber im Halbfinale ist, hat sie die doppelte
Chance: Zwei Spiele hätte sie dann noch, eines müsste sie gewinnen - und
ginge dann mit der niemals für möglich gehaltenen Medaille in den
Ruhestand.
So weit will Kerber aber gar nicht denken. "Ich
versuche einfach das Beste rauszuholen, aus jedem Match, jedem Satz,
jedem Punkt. Um so etwas noch einmal zu genießen, bin ich
zurückgekommen", sagte die frühere Weltranglistenerste, deren Comeback
nach ihrer Babypause lange Zeit ernüchternd verlaufen war.
Dabei hatten es die Veranstalter nicht gut mit Kerber gemeint. Nur 24 Stunden nach dem Dreisatzsieg gegen die Rumänin Jaqueline Cristian musste sie wieder ran, erneut in der Mittagssonne. Der Temperatur-"Peak" mit 35 Grad sollte am Nachmittag erreicht werden - da war Kerbers Doppel mit Siegemund gegen die Britinnen Boulter/Watson angesetzt.
Nach dem fulminanten Auftakt gegen Naomi Osaka auf dem riesigen Court
Philippe Chatrier (15.225 Plätze) und dem Cristian-Krimi auf dem
kleinen Court 14 (2200) ging es gegen Fernandez in die goldene Mitte.
Auf "Mathieu", einem 5300 Menschen fassendes Schmuckkästchen, begannen
die beiden Linkshänderinnen ihr Generationenduell engagiert, aber
nervös.
Kerber, die das bislang einzige Duell mit der Kanadierin
im Achtelfinale der US Open 2021 knapp verloren hatte, nahm der 14 Jahre
jüngeren Kanadierin zweimal den Aufschlag ab. Nach 38 Minuten hatte sie
den ersten Satz in der Tasche. In der Folge wirkte sie auch in der
größten Hitze äußerlich ganz cool - ehe sie nach 1:25 wirklich in die
Eistonne durfte.