„Die Nummer 1 am Jahresende war nicht das Ziel“: Carlos Alcaraz räumt ein, Sinner habe zu Beginn unantastbar gewirkt

ATP
Freitag, 14 November 2025 um 13:00
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Carlos Alcaraz hat sich erneut an die Spitze des Herrentennis gesetzt: Mit einem 6:4, 6:1 gegen Lorenzo Musetti sicherte er sich zum zweiten Mal in seiner Karriere die Jahresendnummer 1. Nach einer Saison mit Formschwankungen und einem kraftvollen Schlussspurt räumte der Spanier ein, dass sich dieser Meilenstein anders anfühle als 2022, als er mit 19 erstmals oben abschloss. Diesmal seien Erwartungen und Druck größer gewesen, auch wenn das Ziel selbst nur langsam gereift sei. Am Ende blieb die Erkenntnis: „Wenn man sich ein Ziel setzt, ist es immer großartig, es zu erreichen.“
Besonders bedeutsam ist dieses Finish für Alcaraz, weil die Nummer 1 zunächst nicht auf seinem Radar stand. Mit Jannik Sinners Dominanz im Jahr 2025 lag der Spanier zu Beginn der Live-Race-Wertung deutlich zurück – zu weit, um realistisch an eine Wachablösung zu denken.
Doch Sinners dreimonatige Zwangspause veränderte alles. Alcaraz erlebte während der Sandplatzphase einen Neustart, nachdem ein holpriger Jahresbeginn mit ein paar unerwünschten Ergebnissen – darunter das Viertelfinal-Aus bei den Australian Open und das Erstrunden-Aus in Miami – ihn ausgebremst hatte.
Zurück auf Sand fand Alcaraz seinen Rhythmus und war seither nahezu unaufhaltsam: 55 Siege bei nur 4 Niederlagen. In Turin angekommen, hatte er eine Serie über Alex de Minaur, Taylor Fritz und schließlich Musetti aufgebaut, genug für insgesamt 11.650 Punkte. Es mündete in das Eingeständnis: „Ich glaube, die Jahresendnummer 1 war am Anfang des Jahres nicht das Ziel, weil ich sie mit Jannik an der Spitze sehr weit weg gesehen habe.“
Eine starke Turnierserie brachte ihm Rhythmus, Titel und neues Selbstvertrauen – im Kontrast zu den ungleichmäßigen Monaten davor. Sein Tennis wurde schärfer, die Resultate stabiler, die Zielsetzung passte sich an. Das Saisonende als Nummer 1 wandelte sich von unwahrscheinlich zu möglich – und schließlich zu einer dringlichen Mission, die mit jedem Sieg dieser Woche konkreter wurde. Er formulierte es so: „Ab der Saisonmitte habe ich so großartiges Tennis gespielt – viele Turniere am Stück, viele Trophäen geholt.“
Dennoch war sein letztes Gruppenspiel gegen Musetti aufgeladen. Der 6-fache Major-Champion betrat den Court bereits fürs Halbfinale qualifiziert, doch mit der Nummer 1 auf dem Spiel – und Musetti selbst mit Chancen aufs Weiterkommen – lastete der Druck schwer auf beiden. Alcaraz verheimlichte die Nervosität nicht, nannte die Situation trotz seines selbstbewussten Tennis ungewöhnlich schwer zu managen und fasste nach Satzende zusammen: „Ich bin wirklich glücklich, dass ich das hier, bei diesem Turnier, nach drei Siegen erreicht habe.“

Ein großes Match in mehrfacher Hinsicht

In der Analyse seines Auftritts scheute Alcaraz die kritischen Punkte nicht. Er dominierte die Grundlinienduelle und schloss am Netz entschlossen ab, sah aber Luft nach oben. Die Bedeutung der Partie begleitete ihn in jedes Spiel – was er offen machte, als er sagte: „Ich glaube, heute habe ich mit vielen Nerven gespielt – es war wirklich schwierig, damit umzugehen.“
Der Kontext verstärkte die emotionale Last. Musetti spielte um die Qualifikation, Alcaraz um etwas Größeres – das Recht, die Saison als bester Spieler der Welt zu beenden. Diese Gemengelage prägte den Ton des Matches. Für Alcaraz hieß das, nicht nur gegen den Gegner, sondern auch gegen die eigenen Erwartungen anzutreten. Er beschrieb es direkt als „ein wirklich großes Match für uns beide: Er versucht, ins Halbfinale zu kommen, und ich versuche, das Jahr als Nummer 1 zu beenden.“
Trotz des Drucks zeigte sich sein Tennis in Sequenzen. Alcaraz traf sauber, rückte vor und streute die für sein Spiel typischen Glanzmomente ein. Dennoch wollte er mehr Konstanz. Seine Selbsteinschätzung klang ehrlich und angetrieben – wie bei einem Spieler, der weiß, dass noch eine Stufe drin ist. „Ich konnte nicht so entspannt spielen, wie ich wollte“, bilanzierte er.
Mit Blick nach vorn hofft Alcaraz, dass die Anspannung nachlässt und das Niveau weiter steigt. Vor dem Halbfinale in Turin und mit dem Titel in Reichweite geht er mit Erleichterung und Fokus ins Wochenende. „Hoffentlich kann ich im Halbfinale mein Level ein bisschen anheben. Ich freue mich darauf.“
Vorerst muss er auf seinen Gegner warten – es wird der Sieger zwischen Alexander Zverev und Felix Auger-Aliassime sein.
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