Alexander Zverev greift im Finale der French Open nach seinem ersten 
Grand Slam-Titel. Für den Hamburger soll eine lange Reise das ersehnte Ende finden.
 Vor dem letzten Schritt zum Ziel seiner Träume legte Alexander Zverev
 in Gedanken den Rückwärtsgang ein. Das 
US Open-Finale 2020, "wo ich nur
 zwei Punkte vom Sieg entfernt war. Vor zwei Jahren, als ich im 
Rollstuhl hier abtransportiert wurde - das alles ist ein Teil meiner 
Reise", schilderte Zverev.
Tatsächlich, fast vier Jahre hat der 
Hamburger Anlauf genommen für diesen Moment: French-Open-Endspiel gegen 
Carlos Alcaraz am Sonntag (15.00 Uhr/Eurosport), die zweite Chance auf 
den ersten Grand Slam-Titel seiner Karriere.
Am 13. September 
2020, gegen seinen Kumpel 
Dominic Thiem, im fast menschenleeren 
Arthur-Ashe-Stadion von New York (Stichwort: Corona-Pandemie), da sei er
 noch "ein Küklein" gewesen, erklärte Zverev mit einem Lächeln. Es 
folgten Jahre des Heranreifens, mit dem Olympiasieg 2021 als emotionalem
 Höhe- und dem Tiefpunkt der schweren Verletzung gegen 
Rafael Nadal im 
Roland Garros-Halbfinale 2022. Und eine Erkenntnis: "Wenn nicht jetzt, 
wann dann?"
Zverev mit zwei Fünf-Satz-Siegen
Nadal, den 14-maligen 
Triumphator am Bois de Boulogne, hat Zverev in diesem Jahr in der ersten
 Runde in einem gefühlten "Finale" ausgeschaltet und danach jede weitere
 Hürde genommen. Keineswegs immer glanzvoll übrigens. In der dritten 
Runde gegen den Niederländer Tallon Griekspoor etwa war er dem Aus lange
 näher als dem Weiterkommen. Auch gegen Holger Rune musste Zverev über 
die vollen fünf Sätze gehen und dafür eine Nachtschicht einlegen.
Kein
 Problem für den 27-Jährigen. "Die wenigsten gewinnen einen Grand Slam 
mit Dreisatzsiegen", erklärte er. Vielmehr gelte es, "Schwierigkeiten zu
 bewältigen". Dies gelang Zverev am Freitag im Halbfinale gegen Casper 
Ruud, der allerdings von einer Magen-Darm-Erkrankung geschwächt war, 
nach einem desolaten ersten Satz meisterhaft.
2:6, 6:2, 6:4, 6:2 
hieß es nach 2:35 Stunden Spielzeit, ab Beginn des zweiten Durchgangs 
beeindruckte Zverev mit starkem Service und teils unwirklichen 
Gewinnschlägen. Diese mentale Stärke sei "außergewöhnlich", lobte 
Deutschlands Tennisidol 
Boris Becker bei Eurosport, Zverev habe im 
gesamten Turnier "auch in kritischen Situationen die Kontrolle nicht 
verloren".
Und so steht er als zweiter Deutscher in der Open Era 
nach Michael Stich 1996 im Finale von Roland Garros, Becker selbst hatte
 im selben Jahr bei den Australian Open für den bislang letzten 
Grand Slam-Titel eines Deutschen im Herreneinzel gesorgt.
Alcaraz greift nach drittem Major-Titel
Gegen den Spanier 
Alcaraz, der mit seinen 21 Jahren bereits nach seinem dritten 
Major-Erfolg greift, liegt Zverev im direkten Duell mit 5:4 vorn. Vor 
zwei Jahren siegte der Deutsche beim bislang einzigen Aufeinandertreffen
 auf der Asche von Paris. Und auch wenn Zverev auf Sand seit zwölf 
Matches unbesiegt ist und Alcaraz in seinem Halbfinale gegen den 
designierten Weltranglistenersten Jannik Sinner über fünf Sätze alles 
aufbieten musste, spricht viel für ein ganz enges Endspiel.
Der 
gegenseitige Respekt jedenfalls ist groß. "Ich weiß, dass es sehr 
kompliziert sein wird. Aber ein Grand-Slam-Finale kann nur kompliziert 
sein", sagte Alcaraz.
"Ich will einfach mein bestes Tennis spielen
 und mir die beste Chance geben", erklärte Zverev, gegen den ebenfalls 
am Freitag in Berlin ein Prozess nach einer außergerichtlichen Einigung 
eingestellt worden war. Auch dieses Kapitel ist ein Teil seiner Reise.
Nun
 aber geht der Blick auch nach vorn. "Wenn ich den Pokal in die Höhe 
stemmen kann, dann bedeutet das die Welt für mich." Wenn nicht jetzt, 
wann dann?"