Alexander Zverev hat das
Momentum eines zu Beginn für ihn sehr zähen
Australian Open-Turniers
komplett zu seinen Gunsten gedreht. Der 6:1, 6:3, 6:7 (2:7), 6:4-Erfolg
im Viertelfinale gegen Carlos Alcaraz war eine deutliche Ansage an
Daniil Medvedev,
Novak Djokovic und
Jannik Sinner. Zverev selbst bemüht
sich indes, nicht zu euphorisch zu werden. Aus gutem Grund: Es sind noch
zwei Siege zu holen.
Alexander
Zverev trat erstmal auf die Bremse. "Ich bin im Halbfinale, ich habe
das Turnier noch nicht gewonnen", betonte der 26-Jährige im
Eurosport-Interview nach seiner Gala gegen Carlos Alcaraz. Damit hat Zverev natürlich recht und es wäre töricht, sich vor dem Halbfinale gegen Daniil Medvedev Luftschlösser zu bauen. Und dennoch: Die Vorstellung im Viertelfinale ist eines seiner stärksten Matches der Karriere gewesen.
Kyrgios bescheinigt Zverev "tadellose Leistung"
Eurosport-Experte
Boris Becker schwärmte
bereits während der Partie vom "besten Zverev, den ich je gesehen habe.
Eine sagenhafte Leistung und ein unglaublich hohes Niveau von Sascha."
Nick Kyrgios, der das Match für Eurosport International als TV-Experte begleitete, sprach vom "wohl größten Sieg seiner Karriere". Was Zverev gezeigt habe, sei sowohl "körperlich und mental als auch taktisch sehr beeindruckend" gewesen.
Tatsächlich spielte der Hamburger die Nummer zwei der
ATP Rangliste
zweieinhalb Sätze lang an die Wand. Alcaraz bekam keinen Fuß mehr auf den Grund
und produzierte wegen der Überlegenheit seines Gegners Fehler um Fehler.
Kyrgios sah eine "tadellose Leistung" von Zverev. Daran änderte auch der Satzverlust nichts. Im Gegenteil: Obwohl Zverev im dritten Satz das Ziel schon dicht vor Augen hatte und dann im Tiebreak sieben Punkte in Folge verlor, blieb er komplett bei sich.
"So gegen einen Spieler wie Alcaraz aufzuschlagen, ist fast absurd. Ich bin auch ein guter Aufschläger, aber ich glaube, das habe ich noch nicht geschafft. Der dritte und vierte Satz waren eigentlich noch beeindruckender, vor allem weil Alcaraz zurückgekommen ist", staunte Kyrgios.
Zverev überragend am Netz
Eine Punktquote von 88 Prozent nach dem ersten Aufschlag, zwei von drei Breakchancen genutzt und deutlich weniger unerzwungene Fehler (7:11) als Alcaraz. Zverev agierte im vierten Satz in Weltklassemanier und verwandelte nach insgesamt 3:05 Stunden gleich den ersten Matchball. Es war eine unglaublich starke Vorstellung des Olympiasiegers - und es gibt eine weitere Statistik, die das belegt. Spurtete Zverev, der endlich mutiger und offensiver das Feld abdeckte, ans Netz, holte er in 95 Prozent der Fälle den Punkt.
Becker baff: "So gewinnt Zverev die Australian Open"
"Können wir das bitte dem Sascha zeigen. So gewinnt er die Australian Open, mein Freund", brach es bei der Analyse aus Becker heraus. So weit ist es freilich noch nicht, zumal auch Novak Djokovic und Jannik Sinner, die im anderen Halbfinale aufeinandertreffen, in blendender Verfassung sind.
Zverev aber kann sich auf seine Fähigkeiten verlassen. Neben der Vorhand cross läuft plötzlich auch die Vorhand longline. Dazu kommt einer der besten Aufschläge auf der gesamten Tour.
Zverev der Herr der Asse
Die Zahlen untermauern dies. Zverev hatte bei diesen Australian Open bereits 73 Asse geschlagen - Bestwert aller Halbfinalisten vor Djokovic (69), Medvedev (64) und Sinner (38). Das Spiel des Hamburgers lebt von diesen freien Punkten, aber nicht mehr in dem Maße wie zuvor. Einfach deshalb, weil inzwischen auch die anderen Schläge immer präziser werden.
Das Erstaunliche: Es war alles andere als absehbar, dass Zverev dermaßen
aufdrehen würde. Der Start in Melbourne war - vorsichtig ausgedrückt -
kompliziert. Satzrückstand gegen Dominik Koepfer in Runde eins, danach fünf Sätze mit Match-Tiebreak gegen Lukas Klein und später Cameron Norrie. Es gab eine Menge brenzliger Situationen.
Zverev: "Lieber mit Schmerzen und Blutblasen ..."
Die Blutblasen, die sich nach dem Achtelfinale an den Zehen gebildet hatten,
steckte er ebenfalls weg. "Ich stehe lieber mit Schmerzen und
Blutblasen im Halbfinale, als zu Hause zu sitzen", versicherte Zverev. "Respekt
für Zverev. Er ist nicht den leichten Weg gegangen, sondern musste zwei
Fünsatzmatches überstehen. Er hat das irgendwie durchgezogen", befand
Kyrgios. Sicher, Zverev hat das Turnier noch nicht gewonnen, wie er
selbst unterstrich. Die Wahrscheinlichkeit, dass es so kommt, ist aber
massiv gestiegen.