Deutschland ist beim Davis Cup souverän ins Halbfinale eingezogen und träumt von mehr. Mit den Niederlanden wartet der nächste Gegner auf Augenhöhe.
Jan Lennard Struff war bester Laune. Mit breitem Grinsen gesellte sich der 34-Jährige zum obligatorischen Sieger-Selfie zu den mitgereisten Fans in Malaga. "Das war ein unglaubliches Spiel, unfassbar eng", sagte er wenig später abgekämpft: "Es ist ein großer Schritt für uns und nun wollen wir das Finale erreichen."
Mit einer beeindruckenden kämpferischen Leistung hatte der Warsteiner das furiose deutsche Tennisteam ins Davis-Cup-Halbfinale geführt - und die Hoffnung auf einen überraschenden Triumph, dem ersten seit 1993 beim Traditionsevent, weiter befeuert. Vor dem Duell am Freitag (17 Uhr/DAZN) mit den Niederlanden, dem nächsten Gegner auf Augenhöhe, darf nun sogar vom Titel geträumt werden.
"Wir sehen schon den Pokal, vielleicht können wir auch mal wieder darum spielen. Das wäre schon was Gutes", sagte Bundestrainer Michael Kohlmann. Auch ohne seinen Topspieler Alexander Zverev rang dessen Auswahl den Sieger von 2022 aus Kanada nach einer willensstarken Topleistung mit 2:0 nieder. Es ist das erste Halbfinale für das DTB-Team seit 2021.
Struff, in Abwesenheit des nach einer langen Saison ausgelaugten Zverev die deutsche Nummer eins, machte gegen Denis Shapovalov in einer atemlosen Partie mit Spannung bis zum Ende alles klar - er siegte mit 4:6, 7:5 und 7:6 (5). Zuvor hatte bereits Daniel Altmaier Gabriel Diallo im ersten Einzel mit 7:6 (5) und 6:4 bezwungen. Das deutsche Top-Doppel Kevin Krawietz/Tim Puetz musste somit gar nicht erst eingreifen.
Struff gestaltete die Partie gegen den aufschlaggewaltigen und zuletzt formstarken Shapovalov, in der Weltrangliste 13 Plätze hinter dem Deutschen, zu Beginn ausgeglichen. Die erste Schwächephase seines Gegners nutzte der Wimbledon-Halbfinalist von 2021 aber eiskalt zum entscheidenden Break. Weil Struff im zweiten Durchgang jedoch dasselbe gelang, ging es in den Entscheidungssatz.
Dort blieb es eine atemberaubende Partie mit hohem Tempo und zahlreichen Service-Winnern, ehe Shapovalov zur Unzeit die Nerven verlor. Mit zwei Doppelfehlern schenkte er seinem Gegner ein Break und feuerte seinen Schläger auf den Boden. Struff kam selbst noch einmal kurz ins Schwimmen, marschierte aber schließlich zum Sieg und ließ die rund 200 deutschen Fans auf der Tribüne jubeln.
"Es war schwierig für Jan-Lennard, aber wie er es gemanagt hat im zweiten und dritten Satz, ist fantastisch", schwärmte Kohlmann: "Deswegen ist er seit zehn Jahren einer unserer Schlüsselspieler. Es macht einfach Spaß, Teil dieses Teams zu sein."
Zuvor war Daniel Altmaier in die deutsche Titelmission gestartet - mit einem möglichen Halbfinale gegen die Niederlande am Freitag vor Augen. Die Niederländer hatten am Dienstagabend recht überraschend Spanien aus dem Turnier genommen und an einem emotionalen Abend die einzigartige Karriere von Rafael Nadal beendet. Und der 26 Jahre alte Altmaier behielt in einer engen Partie auf überschaubarem Niveau schließlich die Überhand.
Anschließend durfte sich der Kempener noch ein Sonderlob von seinem Teamkollegen abholen: "Daniel ist ein unglaublich guter Typ, der immer mit offenem Messer fightet", sagte Struff.