Andrea Gaudenzi, Chairman der ATP, hat die weitreichenden Reformen skizziert, die im Herrentennis in den kommenden Jahren geplant sind, und dabei alte Sorgen über Terminierung, Spielerbelastung und die zersplitterte Governance des Sports adressiert. In einer offenen Pressekonferenz aus Turin – mitten während der
ATP Finals – erläuterte der Italiener, wie ein nachhaltigerer, einheitlicherer Kalender entstehen soll: weniger kleinere Turniere, dafür ein Ausbau der prestigeträchtigsten Events.
In den vergangenen zehn Jahren wurde die Herrentour schrittweise konsolidiert. „In den letzten Jahren haben wir die Zahl der ATP-250-Turniere von 38 auf 29 reduziert“, so Gaudenzi. Das Ziel sei, den Kalender bis 2028 weiter zu straffen, wenn
das neue Masters-1000-Turnier in Saudi-Arabien debütieren soll. Bei 52 Wochen im Jahr, sagte er: „Spieler brauchen eine Off-Season. Aktuell ist die Vorbereitung zu kurz. Sie brauchen Auszeiten, Urlaub und Zeit, an Körper und Tennis zu arbeiten.“
Gaudenzi betonte, dass die Abstimmung aller Instanzen des Sports die größte Herausforderung bleibt. „Sieben Akteure sind beteiligt: die vier Grand Slams, die ITF mit dem Davis Cup sowie ATP und WTA. Eine gemeinsame Linie zu finden, ist schwierig“, räumte er ein. Die ATP-Strategie sei dennoch klar: Fokus auf Premiumprodukte. „Fans wollen die Besten gegeneinander sehen, und das passiert bei den Slams, den Masters 1000 und den Finals.“
Zusätzliche Komplexität entstehe durch die Unabhängigkeit der Spieler. „Tennisspieler sind eigenständige Profis“, stellte er klar. „Jeder wählt seinen Spielplan. Manche bevorzugen ein 250er statt eines 500ers oder gar eine Exhibition außerhalb des Systems.“ Die ATP könne Verhalten nur über Anreize steuern, doch „wenn wir alle – Slams, ITF, ATP, WTA – an einen Tisch und unter ein gemeinsames Framework bringen, könnten wir beim Kalender deutlich besser werden.“
Längere Masters 1000, höhere Erlöse und ein wandelndes Ökosystem
Eine der meistdiskutierten Reformen unter Gaudenzis Führung ist die Ausweitung der Masters-1000-Turniere auf 12 Tage. Der Chairman verteidigte den Schritt mit einem Blick in die Historie. „Zur 12-Tage-Ausweitung: Ich habe nichts erfunden. Indian Wells, Miami gibt es so seit 35 Jahren. Ich kam, habe mir die Zahlen angesehen, und diese Turniere performten klar besser als andere.“
Er verknüpfte dies mit dem allgemeinen Geschäftsmodell des Tennis. „Schauen Sie auf die Slams. Warum sind sie so erfolgreich? Zwei Gründe: Infrastruktur, unglaubliche Infrastruktur, und natürlich Geschichte, die Marke. Sie haben große Stadien und praktisch drei Wochen – 15 Tage Hauptfeld plus Qualifikation sind drei Wochen.“ Tennis sei stark von Ticketverkäufen abhängig: „Wir sind eine Sportart, die sehr, sehr ticketgetrieben ist. Ticketerlöse liegen bereits über 50% oder 60%. Andere Sportarten sind sehr medienlastig. Wir sind im Medienbereich niedrig und bei Tickets sehr hoch – aus vielen Gründen.“
Genau dieser Ticketvorteil, so Gaudenzi, mache die Verlängerung finanziell lohnend. „Wenn man Tage hinzufügt – 2025 war Jahr drei des Plans, inklusive Kanada und Cincinnati –, sehe ich die Ergebnisse bereits“, sagte er. „Beim Topline-Umsatz, den ich nicht offenlegen kann, geht es steil nach oben. Es verändert viel.“ Er bestätigte: „Wir haben fast 20 Millionen Dollar an Gewinnbeteiligung ausgeschüttet. Zuvor waren es 6 Millionen … also 25% on top des üblichen Preisgelds, das bereits erhöht wurde.“
Die verlängerten Events erlaubten zudem eine breitere Umverteilung. „Wir versuchen, es für alle Spielerkohorten auszubalancieren, inklusive der Challenger, denn die Challenger sind für den Weg nach oben und für die Champions von morgen sehr wichtig.“ Für Gaudenzi ist der Schritt hin zu größeren Masters nicht nur finanziell, sondern strategisch – er soll die mittlere Ebene stärken und die Spitze absichern.
Verschlankte Vision 2028 und der Ruf nach Geduld
Mit Blick nach vorn sieht die ATP-Roadmap etwa zehn Wochen mit ATP 250, acht mit 500ern sowie die etablierten zehn Masters 1000 plus die vier Grand Slams – insgesamt 32 Premiumwochen. „An der Spitze spielt man Slams und Masters, vielleicht ein oder zwei 500er“, erklärte er in der Pressekonferenz. „Niedriger Gerankte spielen mehr 500er und 250er; noch weiter unten 250er und Challenger.“ Spieler wie Sinner oder Alcaraz „müssen für Geld kein 250er spielen – auf ihrem Niveau ist das nicht nötig.“
Auch bei der Terminflexibilität wird nachjustiert. So hat die ATP mit Cincinnati vereinbart, das Finale 2026 wieder auf Sonntag zu legen, während Kanada beim Mittwoch bleibt. „Andere Sportarten spielen ebenfalls montags oder mittwochs, wie die Champions League“, sagte er. „Wir müssen in der Programmierung flexibel sein. Sehen wir nächstes Jahr, welchen Effekt ein Sonntagsfinale gegenüber Montag bei den TV-Quoten hat.“
Akut ist für Gaudenzi vor allem ausreichende Regeneration. „Ich denke, sie muss definitiv länger sein als heute“, gab er zu. „Manche Spieler sagen sechs, andere sieben, wieder andere acht Wochen. Sicher braucht ein Spieler ein bis zwei Wochen komplett frei, dann ein bis zwei Wochen, um den Körper aufzubauen … und erst danach greift er wieder zum Schläger.“