Analyse: Vom Verletzungspech zum Meisterkurs in Miami – Emma Raducanu beweist ihre Ausnahmestellung

WTA
Dienstag, 25 März 2025 um 18:00
raducanupress

Analyse: Vom Verletzungspech zur Meisterklasse – Emma Raducanu meldet sich in Miami eindrucksvoll zurück

Emma Raducanu hat in dieser Woche endlich positive Schlagzeilen geschrieben und bewiesen, dass ihr Platz an der Spitze des WTA-Tennis trotz turbulenter Jahre weiterhin Bestand hat. Mit dem Erreichen des Viertelfinals bei den Miami Open sendet sie ein starkes Signal.

Dieser Erfolg dürfte entscheidende Auswirkungen auf ihre Zukunft haben, insbesondere was ihre Abhängigkeit von Wildcards betrifft – ein Thema, das immer wieder Kritik an der US Open-Siegerin von 2021 hervorrief. Seit ihrer Rückkehr auf die Tour im vergangenen Jahr befand sie sich in einer Zwickmühle.

Als Raducanu 2021 sensationell die US Open gewann, wurde sie in Großbritannien zum Star. Die Boulevardpresse feierte sie als neue Tennis-Hoffnung und suchte in ihr eine Nachfolgerin für Andy Murray auf der obersten Stufe des britischen Tennissports.

Zuvor hatten Spielerinnen wie Laura Robson, Johanna Konta und Heather Watson sowie Kyle Edmunds kurze Erfolge Hoffnungen geweckt, ohne jedoch dauerhaft in der Weltspitze zu bleiben. Doch mit Ruhm kommt oft auch der Fall: Nachdem die Medien Raducanu zunächst hochjubelten, folgte bei sportlichen Rückschlägen ebenso schnell die Kritik.

Nach einer Handgelenksoperation wusste Raducanu, dass der Weg zurück lang sein würde. Dennoch trug sie selbst dazu bei, dass 2024 ein schwieriges Jahr wurde: Statt sich über Qualifikationsturniere zurückzuarbeiten, verließ sie sich auf Wildcards.

Katie Boulter wird in Kürze von der britischen Nr. 1 absteigen

Dies geschah in einer Phase, in der ihr Stern etwas verblasst war und sie sich um diese Startplätze mit mehreren Grand Slam-Siegerinnen wie Naomi Osaka, Caroline Wozniacki und Angelique Kerber messen musste. Viele Experten meinten, sie hätte den Umweg über kleinere Turniere nehmen sollen, ähnlich wie Elina Svitolina oder jüngst Belinda Bencic.

Doch die Tatsache, dass Raducanu keine Punkte aus dem Vorjahr verteidigen musste, kam ihr zugute. Sie konnte in der Weltrangliste aufsteigen, und nach ihrer längeren Pause im Jahr 2024 geht sie nun gestärkt in die Sandplatz- und Rasensaison. Sie steht so gut da wie lange nicht mehr – mit einem einzigen Turnierlauf.

Eine weitere Chance, die sich eröffnet, ist die Rückkehr an die Spitze des britischen Tennis. In den vergangenen Monaten stand Katie Boulter im Fokus, und das zu Recht. Sie etablierte sich als konstante Top-30-Spielerin und zählte Ende 2023 zu den besten Akteurinnen auf der Tour.

Doch wie die Beispiele von Diana Shnaider und Zheng Qinwen zeigen, kann ein plötzlicher Aufstieg auch auf das Folgejahr durchschlagen. Boulter hat 2024 bislang nicht an ihre starken Leistungen angeknüpft und geht als britische Nummer zwei in die Rasensaison – mit Raducanu als neuer Leitfigur.

Das bedeutet für Raducanu nicht nur, dass sie in der Rangliste klettert, sondern auch, dass sie künftig von besseren Setzlisten profitieren könnte. Sie ist zurück in den Top 50, und mit Spielerinnen wie Victoria Azarenka, die in der Rangliste abrutschen, dürfte sie bei Turnieren wie Miami bald wieder gesetzt sein.

Zudem muss sie nicht mehr in die Qualifikation, sondern kann auf direktem Weg in Hauptfelder einziehen und sich auf ihr Spiel konzentrieren. Doch ihr Erfolg hat noch eine tiefere Bedeutung.

Die Leistungen dieser Woche unterstreichen, dass sie auf diesem Niveau mithalten kann. Trotz aller Kritik an ihrem Karriereweg scheint ihr Anspruch, zur Weltspitze zu gehören, gerechtfertigt – und das, obwohl sie derzeit ohne festen Trainer auskommt.

Als Nächstes steht für Raducanu mit Jessica Pegula ihre bisher größte Prüfung an.
Als Nächstes steht für Raducanu mit Jessica Pegula ihre bisher größte Prüfung an.

In Miami arbeitete sie mit Mark Petchey, einem erfahrenen Coach, der in den Medien wiederholt betonte, an sie zu glauben. Ob er langfristig an ihrer Seite bleibt, ist ungewiss, da er auch in der TV-Berichterstattung gefragt ist. Doch Raducanu braucht einen Trainer, der ihre Schwächen analysiert und ihr das nötige Vertrauen gibt, sie auszumerzen. Ihr Aufstieg in dieser Woche ist kein Zufall, sondern eine Konsequenz aus professioneller Betreuung.

Ihr Sieg über Emma Navarro, eine Top-10-Spielerin und eine der konstantesten Akteurinnen der Tour, setzte ein Ausrufezeichen. Raducanu besiegte zudem McCartney Kessler, bevor diese verletzungsbedingt aufgeben musste. Auch gegen Amanda Anisimova überzeugte sie – wenngleich die US-Amerikanerin nach ihrem Sieg über Mirra Andreeva geschwächt in die Partie ging.

Doch der wahre Prüfstein steht bevor: Am Mittwoch trifft Raducanu auf Jessica Pegula, die derzeit als beste US-Spielerin gilt, während Coco Gauff mit ihrer Form hadert. Pegula hat kürzlich in Austin triumphiert und will die Sandplatzsaison optimal vorbereiten. Sollte Raducanu sie besiegen, wäre das ein klares Signal ihrer Rückkehr an die Weltspitze.

Pegula selbst zeigte sich nicht überrascht von Raducanus Formanstieg und betonte, sie verdiene es, wieder als Top-Spielerin wahrgenommen zu werden. Möglicherweise liegt sie damit richtig.

Denn bei all den Herausforderungen, die Raducanu in den vergangenen 18 Monaten durchlebte – von Verletzungen bis hin zu privaten Rückschlägen –, wird oft vergessen, dass sie vor ihrem US Open-Triumph kaum Profi-Erfahrung hatte. Ihr wahres Potenzial hat die Tenniswelt womöglich noch nicht gesehen.

Ein weiteres Kapitel ihrer Karriere wird nun gegen Pegula geschrieben. Sollte sie diese Hürde nehmen, könnte sich ihr Comeback endgültig manifestieren.

In einer Phase, in der viele Top-Spielerinnen mit ihrer Form kämpfen und das Feld enger zusammenrückt, hat Raducanu gezeigt, dass sie weiterhin ein Faktor im Damentennis ist. Ihr Erfolg in Miami bringt sie nicht nur sportlich nach vorne, sondern auch als eines der vermarktungsstärksten Gesichter der Tour zurück ins Rampenlicht.

Letztlich geht es für sie darum, ihren Kritikern das Gegenteil zu beweisen – eine Aufgabe, die sie mit ihrem Spiel und nicht mit Worten lösen wird.

Klatscht 0Besucher 0

Gerade in

Beliebte Nachrichten

Aktuelle Kommentare