Tennis-Legenden – Monica Seles: Die jüngste French-Open-Siegerin, die eine Messerattacke überlebte und nie wieder nach Deutschland zurückkehrte

WTA
Freitag, 17 Oktober 2025 um 21:00
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Als jugendliche Sensation beendete Monica Seles die Vorherrschaft von Steffi Graf im Welttennis. Die frühen 1990er-Jahre gehörten der schlagkräftigen Linkshänderin, bis ein beinahe tödlicher Angriff in Deutschland den Lauf der Sportgeschichte veränderte.

Frühe Jahre

Seles wurde am 2. Dezember 1973 in Novi Sad im damaligen Jugoslawien geboren. Ihre Eltern, Ester und Karolj, erzogen sie und ihren Bruder Zoltan in einer Zeit des Umbruchs. Ihr Vater war Karikaturist und Trainer zugleich. Mit Zeichnungen von Tennisschlägen machte er das Training für seine Tochter zu einem kreativen Spiel.
1986 zog die Familie in die USA. Seles und ihr Bruder schlossen sich der renommierten Nick Bollettieri Academy an. Mit 14 bestritt sie ihr erstes Profiturnier, ein Jahr später gewann sie in Houston ihren ersten Titel. Bei den French Open 1989 erreichte sie mit 15 das Halbfinale – gegen Steffi Graf. Am Saisonende stand sie bereits auf Platz sechs der Weltrangliste.

Aufstieg zur Nummer eins

1990 begann Seles’ Serie von Erfolgen. Sie gewann neun Titel, darunter die French Open, wo sie Graf im Finale besiegte. Höhepunkt der Saison war der Triumph bei den WTA Tour Finals, den sie zwei Jahre in Folge verteidigte. 1991 verschob sich die Macht im Damentennis endgültig. Seles gewann drei Grand-Slam-Titel – Australian Open, French Open und US Open – und verlor nur in Wimbledon. Sie holte zehn Titel in einer Saison und beendete das Jahr als unangefochtene Nummer eins. Graf, bis dahin die dominierende Spielerin, war entthront.

Der Angriff in Hamburg

1992 bestätigte Seles ihre Ausnahmestellung. Sie verteidigte ihre Titel, besiegte Graf erneut bei den French Open und gewann insgesamt zehn Turniere. Nur in Wimbledon musste sie sich Graf geschlagen geben. Ende des Jahres war sie die klare Nummer eins der Welt.
Im April 1993 erreichte ihre Karriere einen tragischen Wendepunkt. Während eines Matches in Hamburg stürmte ein Mann mit einem Messer auf den Platz und stach Seles in den Rücken. Der Täter, ein psychisch gestörter Graf-Fan, wurde nie inhaftiert. Seles überlebte, kehrte aber nie wieder nach Deutschland zurück – sie fühlte sich von der Justiz im Stich gelassen.

Rückkehr nach zwei Jahren

Zwei Jahre dauerte die Genesung. Neben den körperlichen Folgen musste Seles auch die seelischen Wunden verarbeiten. Ein Song der Band Young Elders – Fly Monica Fly – inspirierte sie zu ihrem Comeback. 1995 kehrte sie zurück, nun als US-Staatsbürgerin. Die WTA ernannte sie gemeinsam mit Graf zur Nummer eins. Gleich bei ihrem ersten Turnier, den Canadian Open, gewann sie den Titel und stellte einen Rekord für die wenigsten verlorenen Spiele auf. Wenig später erreichte sie das Finale der US Open, verlor dort aber gegen Graf.
1996 folgte der Triumph bei den Australian Open – ihr neunter und letzter Grand-Slam-Titel. Sie gewann zudem das Sydney International und drei weitere Turniere. Doch der ganz große Erfolg der frühen Jahre blieb aus. Die Messerattacke hatte Spuren hinterlassen, die Seles nie vollständig überwinden konnte.

Späte Karriere

Bis Ende der 1990er-Jahre blieb Seles eine der besten Spielerinnen der Welt. Sie gewann Titel in Eastbourne, Montreal und Rom, erreichte 1998 das Finale der French Open und weitere Halbfinals bei Grand-Slam-Turnieren. 2000 holte sie in Sydney olympisches Bronze für die USA. Ihr letzter Turniersieg gelang 2002 in Madrid – der 53. ihrer Karriere.
Seles trat 2003 zum letzten Mal bei den French Open an und erklärte 2008 offiziell ihren Rücktritt. Sie hatte 178 Wochen an der Spitze der Weltrangliste verbracht, dreimal das Jahr als Nummer eins beendet und bleibt bis heute die jüngste Siegerin der French Open.
Seles revolutionierte das Damentennis. Ihr beidhändiges Power-Spiel von der Grundlinie war eine neue Form von Aggression im Frauen-Tennis. Ihr Stil inspirierte Generationen – besonders die Williams-Schwestern, die ihre Schlagkraft zu einer neuen Ära des Sports weiterentwickelten.

Leben nach dem Tennis

2007 nahm Seles die ungarische Staatsbürgerschaft an. Zwei Jahre später begann sie eine Beziehung mit dem Unternehmer Tom Golisano, 2014 folgte die Verlobung. 2015 wurde sie Sprecherin von Shire Pharmaceuticals, das ein Medikament gegen Essstörungen entwickelte – eine Krankheit, gegen die Seles selbst kämpfte. In ihrer Autobiografie Getting A Grip beschreibt sie offen ihren Weg aus Depression und Binge Eating.
Neben dem Tennis trat sie mehrfach im Fernsehen auf, unter anderem in The Nanny und in einer Folge von Seinfeld, die sich mit ihrer möglichen Rückkehr nach dem Angriff befasste. 2008 nahm sie an Dancing with the Stars teil. 2023 gab sie bekannt, an Myasthenia gravis zu leiden – einer Erkrankung, die Muskelschwäche verursacht.
Monica Seles’ Karriere teilt sich in zwei Hälften: vor und nach dem Angriff in Hamburg. In der ersten Phase war sie nahezu unbesiegbar – auf dem Weg, vielleicht die größte Spielerin aller Zeiten zu werden. In der zweiten kämpfte sie tapfer gegen die Folgen eines Traumas und blieb dennoch an der Spitze des Sports. Ihr Vermächtnis ist das einer mutigen, wegweisenden Athletin, die das moderne Damentennis geprägt und Millionen inspiriert hat.
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