Tennis-Legenden – John McEnroe: Viel mehr als „You CANNOT be SERIOUS!!“

ATP
Dienstag, 28 Oktober 2025 um 17:00
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John McEnroe war ein Tennisgenie – ein Spieler, dessen technisches Können, Kreativität und unnachahmlicher Stil ihn zu einer Ikone des Sports machten. Der charismatische New Yorker begeisterte die Zuschauer mit seinem Gespür für das Spiel, seiner Vielseitigkeit und seinem unverwechselbaren Temperament, das ihn zu einem der größten Publikumsmagneten seiner Zeit machte.

Mit zwölf gehörte er bereits zu den besten

Geboren wurde McEnroe am 16. Februar 1959 in Wiesbaden, Westdeutschland, wo sein Vater John Senior als Angehöriger der United States Air Force (USAF) stationiert war. Die Familie kehrte später in die USA zurück, und McEnroe – väterlicherseits irischer Abstammung – wuchs in New York City auf. Seine Mutter Kay brachte zwei weitere Söhne zur Welt: Mark und Patrick, der später ebenfalls Tennisprofi wurde.
Bereits mit acht Jahren begann John im Douglaston Club mit dem Tennisspielen. Mit neun Jahren nahm er an regionalen Turnieren teil und stieg bald auf nationaler Ebene auf. Mit zwölf gehörte er bereits zu den besten Spielern seiner Altersklasse und belegte den zwölften Platz im US-Ranking.
Seinen ersten Profititel gewann McEnroe im September 1978 in Hartford. Noch im selben Jahr folgten drei weitere Titel – der Beginn einer Karriere, die Tennisgeschichte schreiben sollte.
Im Jahr 1979 erfüllte McEnroe das in ihn gesetzte Potenzial: Er gewann elf Turniere, darunter seinen ersten Grand-Slam-Titel bei den US Open in New York. Im Finale bezwang er Vitas Gerulaitis klar und holte damit den ersten von insgesamt sieben Grand-Slam-Einzeltiteln in seiner außergewöhnlichen Laufbahn.

Borg-Herausforderung

Die große Herausforderung für John McEnroe bestand darin, Björn Borg als besten Spieler der Welt abzulösen. Vor Wimbledon 1980 hatte McEnroe bereits vier Titel gewonnen, darunter zum zweiten Mal in Folge den Rasenklassiker im Queen’s Club. Die Rivalität zwischen dem temperamentvollen New Yorker und dem coolen Schweden sollte in den folgenden zwei Jahren ihren Höhepunkt erreichen – und das legendärste Kapitel wurde im Wimbledon-Finale 1980 geschrieben.
In einem epischen Tiebreak, den McEnroe mit 18:16 für sich entschied, erzwang er einen fünften Satz. Doch Borg, der Inbegriff der Ruhe, konterte und gewann das Match sowie seinen fünften Wimbledon-Titel in Folge. Zwei Monate später kam es bei den US Open zur Revanche – diesmal behielt McEnroe in fünf Sätzen die Oberhand. Er beendete das Jahr 1980 mit neun Titeln und hatte endgültig den Grundstein für seine Dominanz gelegt.

Triumph über Borg und der Aufstieg zur Nummer eins

1981 übernahm McEnroe endgültig das Zepter. Er besiegte Borg sowohl im Wimbledon- als auch im US-Open-Finale – zwei Triumphe, die Teil einer Saison mit insgesamt zehn Titeln waren. Die Vier-Satz-Siege markierten zugleich das Ende einer ikonischen Rivalität, die weit über den Tennissport hinausstrahlte. Das Wimbledon-Finale 1980 war mit 17,7 Millionen Zuschauern das meistgesehene Tennismatch der BBC-Geschichte – noch vor Andy Murrays historischem Triumph 2013.
Kurz darauf zog sich Borg, entmutigt durch Ruhm und Erwartungsdruck, mit nur 26 Jahren aus dem Profitennis zurück. McEnroe zeigte sich später oft enttäuscht über diesen Schritt, da er glaubte, Borg habe ihn zu Höchstleistungen angespornt.
Neue Rivalen, neue Herausforderungen 1982 fehlte McEnroe ohne Borg der große Gegenspieler – und seine Ergebnisse litten darunter. Zwar blieb er am Jahresende erneut die Nummer eins der Welt, doch er gewann kein Grand-Slam-Turnier und fünf Titel weniger als im Vorjahr. Im Wimbledon-Finale unterlag er Jimmy Connors in fünf Sätzen – eine Rivalität, die weniger von Respekt als von offener Feindschaft geprägt war. Beide galten als impulsive Charaktere, die auch auf dem Platz kein Blatt vor den Mund nahmen.
Ein Jahr später fand McEnroe zu alter Stärke zurück. 1983 gewann er Wimbledon gegen den Überraschungsfinalisten Chris Lewis und holte insgesamt sechs Titel, womit er erneut als Weltranglistenerster abschloss.

1984: McEnroes perfektes Jahr

Die Saison 1984 wurde zu McEnroes annus mirabilis. Mit einer Bilanz von 82:3 Siegen (96,5 %) stellte er bis heute einen Rekord für die beste Saisonbilanz der Tennisgeschichte auf. Der Amerikaner gewann 13 Titel, darunter Wimbledon und die US Open. Die einzige bittere Niederlage ereilte ihn im French-Open-Finale gegen Ivan Lendl – nach einer 2:0-Satzführung verlor er in fünf Sätzen. In seinen Memoiren Serious bezeichnete McEnroe dieses Match später als die schmerzhafteste Niederlage seiner Karriere.
Doch der Trost folgte rasch: In Wimbledon spielte McEnroe ein nahezu perfektes Finale und besiegte Jimmy Connors klar. Mit seinem vierten US-Open-Titel festigte er endgültig seinen Status als dominierende Kraft des Tennissports.

Der Beginn des Niedergangs

1985 startete McEnroe mit einem weiteren Masters-Titel im Madison Square Garden stark in die Saison. Doch die Entwicklung des Spiels – mehr Kraft, mehr Fitness, härtere Gegner – machte es ihm zunehmend schwer, sein technisches Spiel durchzusetzen. Zwar gewann er noch acht Titel, blieb aber ohne Grand-Slam-Erfolg. Es war das Jahr, in dem der Champion vom Thron gestoßen wurde – und eine goldene Ära des Tennis langsam zu Ende ging.

Rückgang bei „Johnny Mac“ beschleunigt sich

Der sportliche Abstieg von John McEnroe nahm ab Mitte der 1980er-Jahre deutlich an Fahrt auf. 1986 gewann er nur noch drei Titel – die niedrigste Ausbeute seit 1977, seinem ersten Jahr auf der Tour. 1987 blieb er ohne Turniersieg und verlor alle fünf Endspiele, die er erreichte. Erst 1988 konnte er mit Erfolgen in Tokio und Detroit wieder Akzente setzen. 1989 feierte er drei weitere Titel, darunter seinen fünften Triumph bei den ATP Tour Finals – alle im Madison Square Garden in seiner Heimatstadt New York, was McEnroe besonders stolz machte.

Letzte Erfolge und Rücktritt in den 1990er-Jahren

In den 1990er-Jahren war McEnroe nicht mehr Teil der absoluten Weltspitze. Sein aufbrausendes Temperament brachte ihm 1990 bei den Australian Open eine Disqualifikation ein. Danach gewann er nur noch zwei weitere Titel, bevor er 1992 seine Karriere beendete. Besonders denkwürdig war sein letzter Einzeltitel: Im Finale von Chicago besiegte er seinen Bruder Patrick. Insgesamt gewann McEnroe 77 Einzeltitel bei 109 Finalteilnahmen. Bei seinem letzten Wimbledon-Auftritt im selben Jahr erreichte er noch einmal das Halbfinale, wo er gegen Andre Agassi ausschied.

Einzigartige Doppelbilanz und historische Rekorde

McEnroe war einer der letzten großen Spieler, die im Einzel und Doppel gleichermaßen erfolgreich waren. Er bleibt bis heute der einzige Mann, der sowohl im Einzel als auch im Doppel über 70 Titel gewonnen hat. Auch im Doppel kam er auf 77 Turniersiege und insgesamt neun Grand-Slam-Titel. Fünf davon holte er in Wimbledon – vier an der Seite seines engen Freundes Peter Fleming, den letzten 1992 mit Michael Stich. Das Finale gegen Jim Grabb und Richey Reneberg gewann das Duo mit 19:17 im fünften Satz – bis heute das längste Grand-Slam-Doppelfinale der Geschichte.
Auch bei den US Open triumphierte McEnroe viermal im Doppel – dreimal mit Fleming und 1989 mit dem Australier Mark Woodforde. Seinen ersten Grand-Slam-Titel überhaupt gewann er 1977 im Mixed-Doppel mit seiner Jugendfreundin Mary Carillo bei den French Open. Fleming brachte es später treffend auf den Punkt: „Das beste Doppel der Welt ist John McEnroe und irgendjemand.“

Davis-Cup-Held und Teamplayer

McEnroe war schon immer ein leidenschaftlicher Mannschaftsspieler. Er gehörte fünfmal zum Davis-Cup-Siegerteam der USA (1978, 1979, 1981, 1982 und 1990) und übernahm 1999/2000 für 14 Monate das Amt des Teamkapitäns. Dem feurigen New Yorker wird zugeschrieben, das amerikanische Interesse am Davis Cup wiederbelebt zu haben – in einer Zeit, in der Stars wie Jimmy Connors das Event zunehmend mieden.

Ruhestand und Rundfunkkarriere

Nach seinem Rücktritt vom Profitennis blieb John McEnroe dem Sport eng verbunden. Er half bei der Gründung einer Seniorentour für ehemalige Spitzenspieler, was ihm die Gelegenheit gab, seine legendäre Rivalität mit Jimmy Connors wieder aufleben zu lassen. Auf dem neu geschaffenen Champions Tour Circuit dominierte McEnroe über viele Jahre hinweg und gewann in 16 Jahren insgesamt 25 Titel. 2006 kehrte er sogar kurzzeitig auf die ATP-Tour zurück und gewann zusammen mit Jonas Björkman einen Doppeltitel – ein Beweis dafür, dass sein Spielwitz ungebrochen war.

Der nahtlose Übergang ins Fernsehen

In den 1990er-Jahren begann McEnroe seine zweite Karriere als Kommentator und TV-Persönlichkeit. Mit seinem schnellen Verstand, scharfen Humor und tiefem Spielverständnis entwickelte er sich rasch zu einer festen Größe im US-Fernsehen. Seit über 30 Jahren ist er als Experte tätig und bekannt für seine pointierten Analysen, gespickt mit persönlichen Anekdoten.
Im Jahr 2000 wurde McEnroe von der BBC für deren Wimbledon-Übertragungen verpflichtet – ein Engagement, das bis heute andauert. Er gilt als bestbezahlter Kommentator des Senders während des Turniers. Seine Direktheit sorgt allerdings auch für Kontroversen: Während viele seine Expertise schätzen, kritisieren manche Fans, dass er sich zu sehr auf die Elite des Sports konzentriere.

TV-Shows und Gastauftritte

Abseits des Sports versuchte sich McEnroe auch als Fernsehmoderator. Seine Quizshow The Chair, die sowohl in den USA als auch im Vereinigten Königreich ausgestrahlt wurde, sowie die Talkshow McEnroe blieben jedoch kurzlebig und konnten keine hohen Einschaltquoten erzielen. Er trat außerdem in Serien wie CSI und in der Komödie Mr. Deeds als er selbst auf.

Privatleben und Leidenschaft für Musik

Über McEnroes Privatleben wurde häufig berichtet. Von 1986 bis 1994 war er mit der Schauspielerin Tatum O’Neal verheiratet. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor, für die McEnroe 1998 nach O’Neals Drogenproblemen das alleinige Sorgerecht erhielt. 1997 heiratete er die Sängerin Patty Smyth, mit der er eine Tochter hat; zudem ist er Stiefvater von Smyths Kind aus einer früheren Beziehung.
Musik spielt eine zentrale Rolle in McEnroes Leben. Der begeisterte Gitarrist stand mehrfach mit bekannten Bands auf der Bühne, darunter The Pretenders und Pearl Jam. Gemeinsam mit dem ehemaligen Tennisprofi Pat Cash gründete er die Band McEnroe and Cash with The Full Metal Rackets. In der BBC-Radiosendung Desert Island Discs wählte er Songs von David Bowie, den Sex Pistols, Nirvana und Rage Against the Machine – eine Playlist, die seinen rebellischen Geist perfekt widerspiegelt.

Ist er der beste aller Zeiten?

Man kann mit Fug und Recht sagen, dass John McEnroe der beste kombinierte Einzel- und Doppelspieler aller Zeiten ist. Er und Stefan Edberg sind die einzigen beiden Männer, die sowohl im Einzel als auch im Doppel den Weltranglistenplatz Nummer eins innehatten. Mit insgesamt 155 Titeln – kombiniert aus Einzel- und Doppelerfolgen – hält McEnroe bis heute den Rekord in der Open Era.
Erstaunlich bleibt, dass McEnroe nach seiner dominanten Phase zwischen 1981 und 1984 kein weiteres Grand-Slam-Turnier im Einzel gewann und bei den größten Events nicht mehr dieselbe Strahlkraft erreichte. Doch sein Einfluss ging weit über Zahlen und Statistiken hinaus. Seine Rivalität mit Björn Borg war mehr als nur sportlich – sie verkörperte einen Kulturkonflikt: Feuer gegen Eis, Emotion gegen Kontrolle. Diese ikonische Dynamik begeisterte Millionen und öffnete dem Tennissport eine neue Ära der Popularität.
2017 wurde ihre legendäre Fehde im Film Borg vs. McEnroe neu erzählt – ein Zeugnis dafür, wie tief sie in der Tennisgeschichte verankert ist. Auch nach seinem Rücktritt blieb McEnroe präsent: als scharfzüngiger, witziger und unverwechselbarer Kommentator, der das Spiel bis heute mit Leidenschaft begleitet.
Nur wenige Namen im Welttennis sind so bekannt und unvergessen wie seiner – das feurige Genie aus New York, das einst schrie: „You CAN NOT be serious!“ Und ja – er meinte es todernst.
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