Der gebürtige Tscheche Ivan Lendl war eine revolutionäre Figur im Tennis der 1980er Jahre. Er setzte neue Maßstäbe in Sachen Fitness und etablierte sich mit der Umstellung von Holz- auf Graphitschläger als kompromissloser Grundlinienspieler – im Gegensatz zum damals vorherrschenden Serve-and-Volley-Stil. Diese Herangehensweise führte zu acht Grand-Slam-Titeln, und seine 19 Grand-Slam-Finalteilnahmen werden nur von der legendären „Big Three“ – Roger Federer, Novak Djokovic und Rafael Nadal – übertroffen.
Geboren am 7. März 1970 in Ostrava, damals Teil der Tschechoslowakei, entstammt Lendl einer Tennisfamilie. Sein Vater Jiri erreichte Platz 15 der Weltrangliste, seine Mutter Olga war Zweite der tschechischen Rangliste. Mit 14 Jahren besiegte Lendl erstmals seine Mutter – ein Zeichen seines außergewöhnlichen Talents. Eine erfolgreiche Juniorenkarriere, inklusive Auftritten bei den French Open und Wimbledon, ebnete ihm den Weg in den Profisport.
Aufstieg und frühe Dominanz
Lendl wurde 1978 Profi und machte 1980 mit sieben Turniersiegen, darunter in Houston, erstmals international auf sich aufmerksam. Er beendete das Jahr unter den Top 10 – der Beginn einer Ära, in der er 13 Jahre in Folge zu den zehn besten Spielern der Welt gehörte.
1981 gewann Lendl neun weitere Titel, darunter die Canadian Open, und erreichte sein erstes Grand-Slam-Finale bei den French Open, das er in fünf Sätzen gegen Björn Borg verlor. In der Saison 1982 verzeichnete er eine Siegquote von über 90 %, gewann 14 Titel – eine Marke, die er noch viermal übertraf – und wurde zum Maßstab für Konstanz und Leistungsfähigkeit.
Der Durchbruch: Der erste Grand-Slam-Titel
1984 gelang Lendl der lang ersehnte Durchbruch. Im Finale der French Open stand er dem Weltranglistenersten John McEnroe gegenüber, lag bereits mit zwei Sätzen zurück, bevor er dank seiner überragenden Fitness und mentalen Stärke die Partie drehte und triumphierte. „John hat in den ersten beiden Sätzen großartig gespielt. Dann wurde er ein wenig müde. Ich war heute in besserer Form und konnte den ganzen Tag laufen“, sagte Lendl damals.
Dieser Sieg war der Wendepunkt: Zwischen 1984 und 1987 gewann Lendl fünf seiner acht Grand-Slam-Titel und beendete jedes Jahr als Nummer 1 der Welt.
Die Ära der Dominanz
1985 holte er zehn Titel, darunter die US Open, erneut gegen McEnroe. 1986 folgten Siege bei den French Open (gegen Mikael Pernfors) und den US Open (gegen Miloslav Mecir). Auch bei den Masters dominierte er – mit seinem vierten Titel untermauerte er seinen Status als weltbesten Spieler.
1987 setzte Lendl seine Erfolgsserie fort: acht Titel, darunter Titelverteidigungen bei den French Open und US Open, und eine dritte Saison in Folge mit über 90 % Siegquote – ein Kunststück, das nur er und Roger Federer erreichten.
Rückschläge und späte Erfolge
Nach einem leichten Einbruch 1988 kehrte Lendl 1989 mit zehn Titeln zurück – darunter sein erster Triumph bei den Australian Open, wo er Mecir besiegte. Damit hatte er nun auf allen Belägen große Titel errungen, nur Wimbledon blieb ihm verwehrt.
In den 1990er Jahren ging seine Dominanz langsam zurück. Zwar gewann er noch einzelne Turniere, aber seine Grand-Slam-Auftritte wurden seltener. 1993 holte er seinen letzten Titel und beendete eine Karriere mit 94 ATP-Titeln – eine Zahl, die zu dieser Zeit nur Jimmy Connors übertroffen hatte.
Vermächtnis
Lendl gewann 270 Wochen lang die Weltrangliste an und liegt damit hinter Sampras, Federer und Djokovic auf Platz vier der ewigen Bestenliste. Er gilt als Wegbereiter des modernen Power-Baseline-Tennis: Seine „Inside-Out“-Vorhand, seine akribische Fitnessarbeit und sein professioneller Trainingsansatz veränderten die Sportart nachhaltig.
Unter der Leitung seines Trainers Tony Roche prägte Lendl eine Ära, in der Kondition, Disziplin und Präzision den Stil des modernen Tennis definierten – und er bleibt bis heute ein Maßstab für generationsübergreifende Exzellenz.
Die Rückkehr zu Trainer Murray
Nach seinem Rücktritt im Jahr 1994 hielt sich Ivan Lendl lange Zeit vom Profitennis fern. Es war schließlich der Brite Andy Murray, der ihn zurück ins Rampenlicht holte. Murray suchte damals nach einem Weg, den Grand-Slam-Dominanzzyklus von Federer, Nadal und Djokovic zu durchbrechen – und die Verpflichtung von Lendl erwies sich als goldrichtig.
Wie Lendl einst selbst hatte auch Murray seine ersten vier Grand-Slam-Finals verloren, bevor er unter Lendls Führung bei den US Open 2012 endlich den Bann brach. Lendl ermutigte ihn, offensiver zu spielen, und schaffte es, Murrays emotionale Ausbrüche in Richtung seiner Spielerbox zu zügeln. Die Zusammenarbeit brachte Murray drei Grand-Slam-Titel ein – darunter zwei Wimbledon-Siege – sowie den Sprung zur Nummer 1 der Welt.
Eine spätere Wiedervereinigung zwischen den beiden verlief schwieriger, da Murray nach mehreren Hüftoperationen körperlich eingeschränkt war. Lendl arbeitete danach kurzzeitig mit Alexander Zverev zusammen und trainiert seit Kurzem den aufschlagstarken Polen Hubert Hurkacz.
Leben abseits des Courts
Lendl hatte einst gehofft, die USA bei den Olympischen Spielen 1988 zu vertreten, was ihm von den tschechischen Behörden verweigert wurde. Heute lebt er in Vero Beach, Florida.
Kurz nach seinem letzten Grand-Slam-Sieg 1989 heiratete er Samantha Frankel. Das Paar hat fünf Töchter – Marika, die Zwillinge Isabelle und Caroline, Daniela und Nikola. Mehrere von ihnen, darunter Marika, Isabelle und Daniela, spielten Golf auf College-Niveau. Lendl selbst trat einst bei den Czech Open auf der European Tour (heute DP World Tour) an.
Vermächtnis eines stillen Giganten
Lendl galt als kompromissloser Wettbewerber – gefürchtet für seine Präzision und mentale Härte. Er war nie abgeneigt, den Ball aggressiv auf seinen Gegner zu schlagen, um den Punkt zu erzwingen, und sein stoisches Auftreten machte es den Fans oft schwer, sich mit ihm zu identifizieren. Doch selbst seine Kritiker erkennen ihn als einen der größten Spieler aller Zeiten an.
Seine Beständigkeit bleibt legendär: Zwischen 1982 und 1989 erreichte Lendl jedes US-Open-Finale, eine Serie, die bis heute beeindruckt. In der Ära vor Federer, Nadal und Djokovic war er der Inbegriff von Dominanz und Disziplin.
Als vierfacher ATP-Spieler des Jahres und Mitglied der Tennis Hall of Fame gilt Ivan Lendl als einer der zehn besten Spieler der Geschichte – ein Mann, der mit eiserner Disziplin, physischer Stärke und mentaler Präzision das moderne Tennis mitgeprägt hat. Und vielleicht, ganz selten, bringt selbst Ivan Lendl dieser Gedanke ein Lächeln auf die Lippen.